Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ist bei Eltern gefragt und für Kinder eine Chance Erster Bericht der Bundesregierung über den Ausbaustand der ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangebote für Grundschulkinder liegt vor

In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurden Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter deutlich ausgebaut. Trotz der um­fangreichen Maßnahmen von Kommunen, Ländern und dem Bund ist der Ausbaubedarf weiterhin hoch.

Kinder spielen draußen auf dem Schulhof
© BMFSFJ/Schoettke

Kinder stehen im Mittelpunkt beim Ausbau der Ganztagsbetreuung. In zeitgemäßen Ganztagsangeboten sind Kinder mittendrin in der Gesellschaft. Das schließt eine gesunde und nachhaltige Mittagsverpflegung sowie vielfältige Bewegungsangebote ein, um ein gesundes Aufwachsen von Kindern zu fördern, ungeachtet des sozialen und ökonomischen Hintergrunds ihrer Familien.

Derzeit besuchen mindestens 1,7 Millionen Kinder im Grundschulalter (oder 55 Prozent der Kinder) Ganztagsschulen oder Tageseinrichtungen (Hort­angebote), 71 Prozent aller Grundschulen sind ganztägig organisiert. Doch werden bis zur Einführung des Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung im Schuljahr 2026/27 bunde­sweit etwa 470.000 zusätzliche Plätze benötigt, um den Elternbedarf erfüllen zu können. Die Angebote ganztägiger Bildung und Betreuung für Kinder entlasten Familien und ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Ganztagsbetreuung von Kindern im Grundschulalter schließt die Lücke, die häufig entsteht, wenn Kinder aus der Kindertagesbetreuung in die Grundschule kommen. Das hilft unfreiwillige Teilzeitarbeit insbesondere von Müttern zu verhindern. Der ab 1. August 2026 stufenweise in Kraft tretende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ist eine zentrale Maßnahme für gleichwertige Lebenslagen von Kindern und ihren Familien und gegen den Fachkräftemangel in allen Branchen.

Der Ausbaubedarf ist also erheblich, die bisherigen Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen sowie die im Bericht vorgestellten Entwicklungen und Perspektiven zeigen jedoch auf, dass der bedarfsgerechte Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter gemeinsam gelingen kann.

Der Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung für Kinder im Grundschulalter

Der Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung für Kinder im Grundschulalter wird durch das Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz - Ga-FöG) stufenweise ab dem 1. August 2026, beginnend mit Kindern der Klassenstufe eins, eingeführt. Er gilt ab dem Schuljahr 2029/2030 für alle Kinder der Klassenstufen eins bis vier. Alle Kinder im Grundschulalter haben dann einen bedarfsunabhängigen Anspruch auf Ganztagsbetreuung im Umfang von acht Zeitstunden an fünf Tagen in der Woche, die Unterrichtszeiten sind darin enthalten. Die Inanspruchnahme von Ganztagsbetreuung ist freiwillig.

Ergebnisse der Prognose des Ausbaubedarfs 

In der Prognose des Elternbedarfes wurde mit zwei Szenarien gearbeitet. Im Szenario eines konstant bleibenden Bedarfs werden 393.000 (+23,4 Prozent) und im Szenario eines steigenden Bedarfs 545.000 (+32,5 Prozent) zusätzliche Plätze benötigt, d.h. im Mittel damit 470.000 zusätzliche Plätze. Dabei fällt der größte Teil des quantitativen Ausbaubedarfs auf die westdeutschen Flächenländer, während er in den ostdeutschen Ländern aufgrund des bereits weiter ausgebauten Bildungs- und Betreuungsangebote geringer ausfällt.

Zur Abschätzung dieses Bedarfs im Ausgangsschuljahr 2021/22 wurden die Ergebnisse der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) zum Anteil der Eltern mit einem sogenannten Ganztagsbedarf für ihr Kind im Grundschulalter aus den Erhebungsjahren 2020, 2021 und 2022 herangezogen. Der Ganztagsbedarf berücksichtigt definitionsgemäß alle Bedarfe in Tageseinrichtungen (Hortangebote) und Ganztagsschulen sowie Bedarfe in anderen Angebotsformen (z. B. (Über-)Mittagsbetreuung), sofern das durchschnittlich gewünschte Betreuungsende nach 14.30 Uhr liegt. Im Mittel der Jahre 2020, 2021 und 2022 äußerten deutschlandweit 64 Prozent aller Eltern eines Kindes im Grundschulalter einen solchen Ganztagsbedarf für ihr Kind. In Ostdeutschland war der Ganztagsbedarf deutlich höher als in Westdeutschland (89 Prozent gegenüber 58 Prozent). In den ostdeutschen Ländern variierte der Ganztagsbedarf zwischen 83 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt und 94 Prozent in Thüringen. In den westdeutschen Ländern variierte er zwischen 46 Prozent in Bayern und Schleswig-Holstein und 98 Prozent in Hamburg.

Statistische Grundlagen für die Prognose des Ausbaubedarfs 

Die derzeitige Inanspruchnahme von ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten kann nur näherungsweise bestimmt werden, da nicht alle bestehenden Betreuungsangebote in den Ländern durch Bundesstatistiken erfasst werden und da zwei Bundesstatistiken aus den Bereichen Schule und Kindertagesbetreuung zusammengeführt werden müssen. Zur Ermittlung der (genauen) Inanspruchnahme von Ganztagsangeboten ist daher eine Weiterentwicklung der Statistik-Regelungen im Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) erfolgt, die ab 2024 erstmals erhoben werden wird.

Der Platzbedarf wurde ermittelt aus der Gegenüberstellung der Anzahl der vorhandenen Plätze, der vorhergesagten demografischen Entwicklung und prognostizierten Elternbedarfen. 

Die vorhandenen Plätze wurden durch die Zusammenführung der Ganztagsschulstatistik  der Kultusministerkonferenz (KMK-Statistik) sowie der amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik  (KJH-Statistik) näherungsweise bestimmt.

Die Entwicklung der Zahl der Kinder im Grundschulalter wurden anhand der 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2022, Variante 2 bestimmt. Die Variante 2 unterstellt eine moderate Entwicklung der Geburtenhäufigkeit, der Lebenserwartung und des Wanderungssaldos. 

Zur Ermittlung der (genauen) Inanspruchnahme von Ganztagsangeboten ist eine Weiterentwicklung der Statistik-Regelungen im Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) erfolgt. Die sogenannte GaFöG-Statistik hat zum Ziel, die Datenlage zur Betreuungssituation von Grundschulkindern der Klassenstufen eins bis vier (u. a. Dauer der Betreuung in den jeweiligen Angeboten für Grundschulkinder, Art der Angebote, Inanspruchnahme von ganztägigen Angeboten in der Primarstufe an Förderschulen) zu verbessern. Die hierzu erforderlichen Daten werden über die neue Statistik 2024 bundesweit erstmals erhoben und anschließend auch in die jährliche Berichtspflicht des GaFöG einfließen.

Bund und Länder treiben den Ausbau der Ganztagsangebote mit einem besonderen Augenmerk auf die Qualität voran 

In einem Großteil der Länder sind Qualitätskonzepte eine verbindliche Grundlage bei der Gestaltung der ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangebote. So haben die Länder und Kommunen – insbesondere in Ostdeutschland – die im Rahmen des Investitionsprogramms zum beschleunigten Infrastrukturausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder (2020 bis 2022) bereitgestellten Finanzhilfen des Bundes vorwiegend zum qualitativen Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote genutzt. Viele landeseigene Programme fördern die qualitative Weiterentwicklung ebenfalls. Darüber hinaus hat die KMK länderübergreifend vereinbarte Orientierungsmaßstäbe entwickelt, die mit den „Empfehlungen für die pädagogische Qualität in Ganztagsschulen und ganztägigen Angeboten für Grundschulkinder“ seit Oktober 2023 vorliegen.  

Um den quantitativen und qualitativen Ausbau weiter voranzutreiben, gewährt der Bund mit dem im Mai 2023 gestarteten Investitionsprogramm Ganztagsausbau Finanzhilfen für den quantitativen und qualitativen investiven Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Grundschulkinder weitere Mittel . Eine bessere Vereinbarkeit und insbesondere eine Verringerung der unfreiwilligen Teilzeitarbeit (zumeist von Müttern) wird nur erreicht, wenn Eltern ein bedarfsdeckendes Angebot an ganztägiger und qualitativ guter Bildung und Betreuung zur Verfügung steht. 

Sowohl die kompetenzförderliche Wirkung ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote als auch die Inanspruchnahme des Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung hängen dabei entscheidend von der Qualität der Ganztagsangebote ab. Daher unterstützt die Bundesregierung die Umsetzungsaktivitäten der Länder in verschiedenen Gremien und Veranstaltungen. 

Der GaFöG-Bericht

Das Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) vom 2. Oktober 2021 sieht in § 24a SGB VIII vor, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag jährlich einen Bericht über den Ausbaustand der ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangebote für Grundschulkinder vorzulegen hat (sogenannter GaFöG-Bericht). Erstmals wird dieser Bericht nun im Jahr 2023 vorgelegt. Federführend ist dabei das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), welches zusammen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine gemeinsame, paritätisch besetzte Geschäftsstelle zum Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter eingerichtet hat.

Mit der Erstellung des Berichts wurde im Jahr 2022 die Prognos AG in Kooperation mit dem Institut für Theorie und Empirie des Sozialen (ITES) beauftragt.

Der vorliegende erste GaFöG-Bericht stellt den aktuellen Ausbaustand ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter dar und berechnet aufbauend auf prognostizierten Elternbedarfen die Spannbreite der zukünftig benötigten Ganztagsplätze. Dabei wurde die länder- und regionalspezifische Heterogenität der Ausgestaltung der Ganztagsangebote berücksichtigt. Der GaFöG-Bericht fußt auf bestehenden Statistiken aus den Bereichen Schule und Kindertagesbetreuung. Gleichzeitig weist der Bericht auch auf bestehende Datenlücken hin.

Ergänzt wird die Darstellung durch die Analyse der bereits getroffenen Maßnahmen von Bund und Ländern und durch einen jährlich wechselnden Themenschwerpunkt mit hoher Bedeutung für den quantitativen und qualitativen Ausbau.

Damit stellt der GaFöG-Bericht eine wertvolle Grundlage für Aktivitäten in der Vorbereitung des Rechtsanspruchs durch Bund, Länder und Kommunen sowie freie Träger, zivilgesellschaftliche und fachpolitische Organisationen dar. Er schafft Transparenz im parlamentarischen und öffentlichen Raum über Ausbaustand und Ausbaubedarfe sowie damit einhergehende, fachliche Herausforderungen und Lösungsansätze.