Beratungsstelle „Fachkräfte für Kitas und Ganztag an Grundschulen“ Viele Chancen im Ganztag - Interview mit Tim Frauendorf

Tim Frauendorf arbeitet seit 2014 als wissenschaftlicher Mitarbeiter (pädagogischer Psychologe) bei der Beratungsstelle „Fachkräfte für Kitas und Ganztag an Grundschulen mit bundesweiter Hotline“. Die Beratungsstelle wird durch das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) gefördert. Sie unterstützt im Berufsfeld der frühen Bildung, Betreuung und Erziehung interessierte Personen bei allen Fragen zur Ausbildung, zum Studium oder zum direkten Einstieg in den Beruf. Seit 2023 bietet die Beratungsstelle auch Informationen zu dem Berufsfeld der Ganztagsbetreuung.

Was leistet die Beratungsstelle „Fachkräfte für Kitas und Ganztag an Grundschulen mit bundesweiter Hotline“?  

„Wir beraten interessierte Personen per Mail und telefonisch zu all ihren Fragen auf dem Weg hin zu einer Ausbildung, einem Studium oder einem direkten Berufseinstieg im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung. Im vergangenen Jahr ist auch das Berufsfeld des Grundschul-Ganztags hinzugekommen. Das Besondere an der Beratungsstelle ist, dass wir für jede Person, die mit uns in Kontakt tritt, ein persönliches und individuelles Beratungsangebot gewährleisten, das finanzielle Fragen und auch die Vereinbarkeit mit eigenen erzieherischen oder pflegerischen Verpflichtungen beinhaltet. Dabei spielt unter anderem der Wohnort eine große Rolle, denn die Einstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten können innerhalb der Bundesländer variieren und die lokalen Beratungsangebote – die in der Regel von den Berufsfachschulen und Fachschulen angeboten werden – fokussieren sich lediglich auf die Möglichkeiten vor Ort. Wir schauen uns mit der Person gemeinsam die für sie relevanten Rahmenbedingungen im Bundesland an. Wir prüfen aber auch, ob gegebenenfalls im benachbarten Bundesland ein für die Person passenderes Angebot besteht, beispielsweise im Hinblick auf Zugangsvoraussetzungen, Ausbildungsmodelle und Finanzierungsmöglichkeiten. Wir beraten auch Personen, die nicht alle Voraussetzungen für eine Ausbildung oder ein Studium erfüllen und unterstützen dabei diese Voraussetzungen zu erreichen. Dabei sind wir auch in der Lage Alternativen aufzuzeigen, sollte der angestrebte Weg nicht funktionieren. 

Das Beratungsangebot gibt es seit 2014. Durch die tausenden Gespräche, die wir mittlerweile geführt haben, sind wir in der Lage eine umfangreiche Informationssammlung auf der Webseite Frühe Chancen bereitzustellen. Diese hat sich anhand der Bedarfe der ratsuchenden Personen immer weiterentwickelt und stellt neben unserer Beratungstätigkeit einen großen Wissensfundus dar, der bundesländerspezifisch eine große Bandbreite an Fragen zum Einstieg oder Wechsel in den Beruf beantwortet."

Wer kann sich an die Beratungsstelle wenden und welche Fragen werden hier beantwortet? 

„Das Spektrum der Privatpersonen, die sich bei uns informieren können, reicht von Personen ohne Schulabschluss über Personen mit allgemeiner Hochschulreife bis hin zu fachqualifizierten Personen und Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen. Wir haben mittlerweile aber auch immer mehr Personen, die Informationen zum direkten Berufseinstieg oder Quereinstieg benötigen.

Hierbei ist es wichtig zu sagen, dass der Bereich des Ganztags an Grundschulen als Betätigungsfeld noch nicht sehr bekannt ist und auch bei uns wenig direkt danach gefragt wird. Personen, die mit Kindern arbeiten möchten, ist häufig gar nicht bekannt, dass es auch die Möglichkeit gibt, im Grundschul-Ganztag Fuß zu fassen. Wir weisen die Anrufenden darauf hin, wenn der Grundschul-Ganztag eine direkte Beschäftigung ermöglichen kann, dort fehlende Zugangsvoraussetzungen wie Praxiserfahrung gesammelt werden oder auch Wartezeiten bis zum Ausbildungsbeginn überbrückt werden können.

Wir kennen die gesetzlichen Regelungen, Entwicklungen, Gute-Praxisbeispiele und Umschulungsmöglichkeiten in den Bundesländern. Und sind dabei auch mit den kommunalen Strategien zur Fachkräftegewinnung vertraut. Das ist der Grund, warum sich an uns nicht nur interessierte Einzelpersonen, sondern auch politische Institutionen und Behörden wenden. Das können zum Beispiel Institutionen wie die Agentur für Arbeit, das Jobcenter, kommunale Verwaltungen, Kita-Träger und Schulen sein.“

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Gewinnung und Bindung von Fachkräften im Ganztag?  

„Der Fachkräftemangel herrscht in allen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe und stellt somit ebenfalls für den Ganztag eine Herausforderung dar. Hier zeigt sich zusätzlich das Problem der fehlenden Bekanntheit des Ganztags als Arbeitsfeld. Gleichzeitig kann der Grundschul-Ganztag vielen Personen den ersten Einstieg oder den dauerhaften Einstieg in diesen Bereich ermöglichen. 

Die Teilzeitfalle ist eine weitere Herausforderung: Da durch die Struktur des Ganztags meistens nur eine Teilzeitbeschäftigung möglich ist, können Menschen zu häufig nicht so viele Stunden arbeiten wie sie sich wünschen oder die für die auskömmlich wären.

Außerdem stellt die Weiterqualifizierung im Ganztag eine Herausforderung bei der Bindung von Fachkräften dar. Es wird zwar schon vieles angestoßen, aber es braucht noch mehr Anstrengungen, den Ganztag als Ausbildungsort zu etablieren. In einzelnen Bundesländern, wie z.B. in Nordrhein-Westfalen ist es bereits möglich, eine praxisintegrierte Ausbildung im Ganztag zu machen. Es sollten jedoch viel mehr Möglichkeiten geschaffen werden, um Personen nicht wieder aus dem Feld zu verlieren.

Die fehlende Bekanntheit hat aber nicht nur Nachteile, sondern bietet auch die Chance das Bild vom Grundschul-Ganztag durch gezieltes Aufklären zu prägen. Das heißt, dass zum Beispiel gewisse Vorurteile, die es in Teilen der Gesellschaft gegenüber dem Tätigkeitsfeld Kita immer noch gibt, nicht zwingend auch für den Ganztag gelten müssen. Für den Grundschul-Ganztag gibt es also nicht nur Hürden, sondern auch neue Chancen und Möglichkeiten.“

Was braucht es, um den Bereich Ganztag auch für weitere Zielgruppen, wie z. B. Quereinsteiger:innen, attraktiv zu machen?  

„Einzelne Bundesländer informieren mittlerweile immer besser über die Möglichkeiten der Ausbildung im Bereich der Kita. Im Sinne des Ganztags wäre es, überall dort, wo von Kita gesprochen wird, auch einen Hinweis auf den Grundschul-Ganztag zu platzieren. Wenn die bundeslandspezifischen Regelungen vor und während der Ausbildungen auch Tätigkeiten in diesem Bereich zulassen, sollten dies die Berufsfachschulen und Fachschulen umsetzen. Und der Grundschul-Ganztag sollte auch auf den Informationsangeboten sichtbar werden, die direkt von den für Bildung zuständigen Ministerien gesteuert werden. Dafür ist es hilfreich zu beschreiben, was dieses Handlungsfeld spannend und besonders macht. Dazu gehören zum Beispiel die vielen Gestaltungsmöglichkeiten im Ganztag und die verschiedenen Professionen und Kompetenzen aus dem Bereich des Musischen, des Künstlerischen oder des Sports, die dort zu finden sind. Auch Beispielbiographien können dabei helfen, den Ganztag als Arbeitsfeld zu bewerben und aufzuzeigen, wie unterschiedlich die Wege in das Berufsfeld Ganztag sind. Wir beraten viele Personen mit Lehramtsabschlüssen aus dem Ausland. Diese können in vielen Bundesländern im Grundschul-Ganztag bereits einen Einstieg finden, während sie noch auf die Anerkennung ihrer ausländischen Qualifikationen warten oder auch wenn Ihnen Qualifikationen teilweise nicht anerkannt werden. Sie können Kinder und Mitarbeitende in der Elternarbeit unterstützen, z.B. über ihre Fremdsprachenkompetenzen. Das ist ein zusätzlicher Gewinn, der dort für beide Seiten entstehen kann. 

Was es außerdem braucht, um den Bereich Ganztag für weitere Zielgruppen attraktiv zu machen ist das Wissen darüber, dass der Ganztag ein Arbeitsfeld für sozialpädagogische Fachkräfte und auch für Quereinsteigende sein kann, die den Einstieg in die professionelle Arbeit mit Kindern suchen. Zusätzlich bedarf es Informationen darüber, welche Tätigkeiten dieses Arbeitsfeld umfasst, welche Weiterentwicklungsmöglichkeiten es gibt und welche Gehälter zu erwarten sind.“