Chancen, Möglichkeiten und Herausforderungen des Einsatzes Studierender im schulischen Ganztag

Portrait von Prof. Stöbe-Blossey
© IAQ / Universität Duisburg-Essen

Interview mit Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: „Den Einsatz von Studierenden im Ganztag vom Spannungsfeld zur Win-Win-Situation entwickeln“

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey ist Leiterin der Forschungsabteilung Bildung, Entwicklung, Soziale Teilhabe (BEST) am Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich unter anderem mit Personalkonzepten im Ganztag an Grundschulen.

Wie können Studierende im Ganztag eingesetzt werden? 

Studierende werden bereits vielfältig im Ganztag eingesetzt. Grundsätzlich übernehmen Studierende alle möglichen Aufgaben, die im Ganztag anfallen. Bisher geschieht dies vor allem in Form von Nebenjobs. Studierende gelten dann als Personal ohne einschlägige pädagogische Qualifikation. Sie lernen dabei das Arbeitsfeld Grundschule kennen und erwerben Erfahrungen, die für ihren späteren Beruf nützlich sein können. Noch besser wäre es, den Einsatz von Studierenden mit Qualifizierungsmöglichkeiten und ihrem Studium zu verknüpfen. So ein systematischer Einsatz ist bisher eher die Seltenheit und lässt sich auch nicht so schnell umsetzen.
Wie viele Studierende sind schon während des Studiums im Praxiseinsatz?
Das weiß man nicht so genau. Es gibt keine Statistik für den Ganztag, die Daten zum Personal abbildet. Es wird allerdings bereits diskutiert, wie diese Lücke geschlossen werden kann. Es wäre gut, wenn eine Statistik zu schulintegrierten Ganztagsangeboten aufgebaut werden würde, die das Personal nach den unterschiedlichen Qualifikationen aufschlüsselt – ähnlich wie in der Kinder- und Jugendilfestatistik.

Welche Chancen bietet der Einsatz von Studierenden im Ganztag?

Wenn der Einsatz in ein pädagogisches Studium eingebunden wird, können Studierende aus ihrer Ausbildung neue Impulse in den Ganztag einbringen. Beispielsweise könnten innerhalb eines Projektseminars Beobachtungsverfahren eingesetzt und Förderkonzepte für Kinder erarbeitet werden. Solche Impulse können zur Qualitätsentwicklung beitragen.

Auch die Diversität der Studierenden kann gewinnbringend sein: Studierende können ihre individuellen Begabungen einbringen, beispielsweise musische oder sportliche Interessen. Mehrsprachige Studierende können als Sprachmittlerinnen und Sprachmittler unterstützen. Das macht deutlich, dass nicht nur Studierende des Lehramts, der Sozialpädagogik oder der sozialen Arbeit für den Ganztag geeignet sein können, sondern auch Studierende anderer Fächer. Am wichtigsten ist, dass die Studierenden Freude und Interesse an der Arbeit mit Kindern haben. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass Studierende ohne pädagogische Ausbildung zusätzliche Grundqualifikationen und Begleitung brauchen.

Gleichzeitig profitieren auch die Studierenden von den praktischen Erfahrungen und der Möglichkeit, sich auszuprobieren. Zudem lernen sie den Ganztag als Einsatzfeld kennen.

Worauf muss geachtet werden, wenn Studierende im Ganztag eingesetzt werden?

Durch den Personalmangel im Ganztag müssen wir pragmatisch denken und den Einsatz verschiedener Gruppen schnell ermöglichen. Gleichzeitig müssen wir das Thema Qualität dabei immer im Kopf haben. Das ist ein Spannungsfeld. Damit das gelingt, brauchen wir einen qualifikationsfördernden Einsatz der Studierenden. Das heißt, dass das Studium mit dem Praxiseinsatz verknüpft wird. Bisher kommt der Ganztag in den Ausbildungen zu wenig vor, sowohl in den verschiedenen Studiengängen als auch in der Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher. Im Idealfall wäre der Einsatz im Ganztag in Kooperation mit der Hochschule verankert, beispielsweise als Projektseminar. Dafür braucht es Kooperationsverträge zwischen Hochschulen und den Ganztagsgrundschulen beziehungsweise Trägern und entsprechende Seminarkonzepte, die den Einsatz fachlich begleiten. Im Sinne der multiprofessionellen Zusammenarbeit wäre es zudem sinnvoll, Studierende verschiedener Fachrichtungen innerhalb einer Hochschule zusammenzubringen, beispielsweise aus der Sozialen Arbeit, Sozialpädagogik oder Kindheitspädagogik einerseits und Lehramtsstudiengängen andererseits. Denkbar wäre auch, angehende Erzieherinnen und Erzieher aus Fachschulen in die Seminare einzubinden. So kann man dieses Spannungsfeld zu einer Win-Win-Situation entwickeln.

Was braucht es, damit der Einsatz von Studierenden gelingt?

Damit der Einsatz von Studierenden gelingen kann, braucht es verschiedene Voraussetzungen. Vor allem brauchen die Leitungs- und Koordinationskräfte im Ganztag ausreichend Ressourcen, beispielsweise Zeit für indirekte pädagogische Arbeit. Sie müssen die besondere Situation der Studierenden, beispielsweise den geringen Stundenumfang, bei der Erstellung des Dienstplanes berücksichtigen und die Studierenden fachlich und organisatorisch begleiten.

Ein wichtiger Punkt ist das Matching. Das bedeutet, dass Studierende und Schulen schnell und unkompliziert zusammengebracht werden. Gut wäre beispielsweise eine Datenbank, in der Studierende ihr Profil anlegen können, das dann mit Gesuchen von Schulen abgeglichen wird.

Ein weiterer Punkt ist die Kooperation zwischen Hochschulen und Trägern. Das kann nicht jeder einzelne Träger machen. Dafür braucht es koordinierende Projeke auf regionaler Ebene. Zudem sind Anschubprojekte sehr wichtig, die Impulse geben, wie der Einsatz erfoglreich gestaltet werden kann. Dabei sollte es immer um nachhaltige Strukturen gehen, die verstetigt werden.


Beispiele guter Praxis

„Das RuhrFutur-Programm students@school“

Das Programm „students@school“ der Initiative RuhrFutur vermittelt qualifizierte Studierende als Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter an Schulen in Nordrhein-Westfalen. Die Studierende unterstützen vor Ort und helfen Schülerinnen und Schülern, Lernrückstände in den mathematischen und sprachlichen Basiskompetenzen aufzuholen. Dafür werden die Studierenden in fünf Modulen qualifiziert. Danach werden sie in den Klassenstufen 1 bis 6 eingesetzt. Das Projekt wird vom Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.

Weitere Informationen: https://www.ruhrfutur.de/hochschule/students-at-school

Teachfirst: „Paper.Plane – Bildung die ankommt“

Mit „Paper.Plane“ werden in Sachsen zusätzliche Ganztagsangebote ermöglicht. Der Fokus liegt dabei auf der Lernbegleitung und der Förderung von Kindern und Jugendlichen. Die Formate und Angebote sind vielfältig, beispielsweise Medienkompetenz oder Sprachförderung, in Präsenz oder digital. Die Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter erhalten im Vorfeld eine Qualifizierung durch den Projektträger Teachfirst. Das Programm wird durch das Staatsministerium für Kultur des Freistaats Sachsen gefördert.

Weitere Informationen: https://paperplane-bildung.de/

Deutsche Kinder- und Jugendstiftung GmbH: „Einfach.Klasse.Brandenburg“ – Ideelles Begleitprogramm des Brandenburg-Stipendiums für Landlehrerinnen und Landlehrer 

In Ergänzung zu dem Stipendium für Landlehrerinnen und Landlehrer des Brandenburgischen Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport bietet die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung GmbH das ideelle Begleitprogramm „Einfach.Klasse.Brandenburg“ an. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten können an pädagogischen Seminaren, Exkursionen und Netzwerkveranstaltungen teilnehmen. Zudem gibt es eine Beratung bei konkreten praktischen Anliegen. Die Studierenden werden eng mit einer Bedarfsschule vernetzt, an welcher sie bereits während des Studiums einen Praxiseinsatz und auch ihr Referendariat absolvieren. Das Programm wird durch das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg gefördert.

Weitere Informationen: https://www.dkjs.de/einfach-klasse-brandenburg/