Das Nationale MINT Forum und das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. MINT-Bildung: Bereichernd für einen guten Ganztag

Portrait von Sabine Mellies
Sabine Mellies ist Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. © 2024 | Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V.
Portrait von Julia Saalmann
Julia Saalmann ist Geschäftsführerin des Nationalen MINT Forums.© 2024 Nationales MINT Forum e. V.

Wie finden Einrichtungen und Träger der Ganztagsbildung und -betreuung für Kinder im Grundschulalter Zugang zu MINT-Angeboten? Wie können Kooperationen mit Angeboten aus dem MINT-Bereich im Ganztag gestaltet werden? Über diese Fragen sprechen wir im Interview mit Sabine Mellies vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. und Julia Saalmann vom Nationalen MINT Forum. 

Sabine Mellies ist Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V.. Das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. (kompetenzz) fördert bundesweit die Chancengleichheit von Frauen und Männern und bündelt Expertise aus Forschung und Praxis für die Anerkennung von Vielfalt als Erfolgsprinzip in Wirtschaft, Gesellschaft und technologischer Entwicklung. Bei kompetenzz ist die Servicestelle der Initiative Klischeefrei angesiedelt die vom BMBF und dem BMFSFJ gefördert wird.

Julia Saalmann ist Geschäftsführerin des Nationalen MINT Forums. Das Nationale MINT Forum beschäftigt sich seit zwei Jahren gemeinsam mit einigen Mitgliedern unter anderem damit, wie die Akteure der vielfältigen außerschulischen MINT-Bildungslandschaft über strukturelle Einbindung ihrer Angebote zu mehr Qualität im Ganztag beitragen können.

  

Wofür steht MINT und wie kann MINT-Bildung im Ganztag für Kinder im Grundschulalter aussehen?

MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Die „MINT-Disziplinen“ werden im unterrichtlichen Bereich der Grundschulen häufig im Sachkundeunterricht vermittelt. Darüber hinaus gibt es besonders für Kinder im Grundschulalter viele außerschulische Angebote des forschenden und entdeckenden Lernens und auch Exkursionsmöglichkeiten.

Dazu zählen u. a. Coding-Initiativen, Schüler*innenlabore, Maker-Spaces, Ökowerke, Schüler*innenforschungszentren, Digi-Labs, Programmier-Workshops, Umweltbildungszentren und viele mehr. Im Gegensatz zur Schule sind diese Organisationen oftmals in der Lage, den Schülerinnen und Schülern neueste technische Innovationen anhand praktischer Beispiele näherzubringen. Sie können Freiräume nutzen, indem sie etwa neue Lernmodelle mit einem spielerischen Zugang verknüpfen. Viele dieser Initiativen haben ihre Angebote bereits auf die Bedürfnisse und die potenzielle Anbindung an Schulen ausgerichtet, leider fehlen häufig die Zugänge.

Welche Potenziale hat MINT für Kinder im Grundschulalter?

Wenn es gelingt, Angebote des forschenden und entdeckenden Lernens mit naturwissenschaftlich-technischem Bezug strukturell, also regelmäßig, in die Angebote des Ganztages zu integrieren, könnte Kindern ein qualitativ hochwertiges Lernangebot gemacht werden. Damit würden auch neue Zielgruppen erreicht – bzw. das Interesse aufrechterhalten. Insbesondere ist es wichtig, MINT-Angebote klischeefrei zu gestalten. Aus der Forschung wissen wir, dass Mädchen und Jungen im Grundschulalter gleichermaßen an den MINT-Fächern interessiert sind – leider verlieren Mädchen später oft ihre Begeisterung für diese Fächer.

Die Einbindung von außerschulischen Angeboten, die Mädchen und Jungen frei von Stereotypen dazu ermutigen, sich in MINT-Themen auszuprobieren, Fragen zu stellen, Neugier zu entwickeln und ihre Potenziale zu entdecken, kann dazu beitragen, dieses Interesse aufrechtzuerhalten. Auch Kinder aus schwierigen sozio-ökonomischen Kontexten oder nicht-deutscher Herkunft können über MINT-Angebote im Ganztag positive Selbstwirksamkeitserfahrungen sammeln und diese dann später in den Unterrichtskontexten anwenden.

Zudem hat das forschende und entdeckende Lernen einen direkten Bezug zum besseren Erwerb von Lese- und Sprachkompetenzen: wer sich für bestimmte Zusammenhänge oder Phänomene interessiert, ist motivierter, darüber zu lesen und darüber zu sprechen – und bekommt so wiederum Zugang zu weiteren, interessanten Themen. Es braucht praxisnahe und spannende Lerninhalte – Schüler*innen müssen in die Lage versetzt werden, echte Probleme lösen zu dürfen, Experimente zu beschreiben oder Hypothesen zu formulieren. Das alles schaffen die MINT-Disziplinen.

„Klischeefrei macht Schule“

Mit vier Methodensets für Fachkräfte in Kita und Schule sowie für die Berufsorientierung bietet die bei kompetenzz angesiedelte Initiative Klischeefrei Unterstützung für die pädagogische Arbeit mit Kindern, Anleitungen zur Selbstreflexion im Kollegium sowie zur Einbeziehung der Eltern. Durch die Sensibilisierung der Kinder und Jugendlichen für Geschlechterstereotype und die Unterstützung bei der Entdeckung der eigenen Talente wird eine wichtige Voraussetzung für eine klischeefreie Berufswahl geschaffen.

#klischeefreiaufwachsen: Methodensets für Fachkräfte in Kita und Schule sowie für die Berufsberatung

Warum sind MINT-Angebote noch nicht so stark verbreitet im Ganztag wie andere Angebote, zum Beispiel in den Bereichen Sport und Musik? 

Oftmals wird MINT häufig noch mit trockenem Wissenserwerb und Lernen verbunden. Dies möchte man den Kindern dann im Nachmittagsbereich des Ganztags nicht zumuten. Dabei ist das Gegenteil der Fall: gerade für Kinder im Grundschulalter ist der Übergang zwischen Spielen und Lernen fließend. Ihre natürliche Neugier und den Forschungsgeist zu wecken ist das Beste, was Pädagog*innen ihnen bieten können.  

Zudem hat es sicherlich auch etwas mit dem Grad der Organisation zu tun. Nahezu jeder kennt das Angebot und die Aufstellung von Musikschulen und Sportvereinen und was sie leisten können. Die wenigsten kennen die Vielfalt und verschiedenen Angebote der außerschulischen MINT-Bildungslandschaft, da diese sehr vielfältig und heterogen ist. Eine Art Dachorganisation gibt es nicht. Das Nationale MINT Forum beteiligt sich als Projektpartner am Verbund MINTvernetzt. Hier versuchen wir, die Akteur*innen der außerschulischen MINT-Bildung besser miteinander zu vernetzen und natürlich auch sichtbarer zu machen.  

Was sind regionale MINT-Netzwerke/MINT-Regionen und wie können sie dazu beitragen, dass sich die MINT-Bildung noch stärker im Ganztag etabliert?

Gerade weil die Landschaft der außerschulischen MINT-Bildungsangebote so heterogen ist und auch regional unterschiedlich breit aufgestellt, gibt es seit einigen Jahren die Tendenz, sich in regionalen und lokalen Strukturen zu organisieren. Über diese Strukturen, die so genannten „MINT-Regionen“ und deren Koordinator*innen werden Vernetzung und Wissenstransfer zwischen Regionen und Bundesländern gefördert und zudem Informations-, Austausch- und Qualifizierungsangebote in die Fläche getragen. Eben diese Vernetzung kann die Kontaktaufnahme mit Schulen zur Einbindung im Ganztag erleichtern.  

Welche Tipps haben Sie für Einrichtungen und Träger des Ganztags, die MINT-Angebote anbieten wollen? Wie können Kooperationen gestaltet werden?

Wie die Kooperationen ausgestaltet werden, liegt natürlich immer auch an der Art des Angebotes und daran, wie und von wem das Nachmittagsangebot im Ganztag gestaltet wird. Um dauerhaft Qualität und einen echten Mehrwert für die Kinder zu schaffen, raten wir zu strukturellen, also regelmäßigen Kooperationen. Viele Akteur*innen der außerschulischen MINT-Bildung stellen sich auf die Bedürfnisse der schulischen Seite ein. 

Wo können sich Träger, Einrichtungsleitungen und Fachkräfte informieren?

Bislang existiert noch kein flächendeckendes Informationssystem oder einen vollständigen Überblick zu allen außerschulischen MINT-Angeboten. Wir wissen, dass die Dichte der Initiativen und deren Aktivitätsgrad regional sehr unterschiedlich sind. In Stadtstaaten und auch in Universitätsstädten, die häufig Anbietende von z. B. Schüler*innenlaboren o. ä. sind, gibt es häufig ein breiteres Angebot. Hier kann man über eine Internetrecherche viele Möglichkeiten finden: 

  • Eine Anlaufstelle ist der Verbund MINTvernetzt. Hier arbeitet das Nationale MINT Forum gemeinsam mit vier weiteren Partner-Organisationen und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) daran, dass sich die Akteur*innen der außerschulischen MINT-Bildung miteinander vernetzen und ihre Angebote auf einer Plattform präsentieren. 
  • Über das Angebot der MINT-Regionen können regionale Netzwerkkoordinator*innen kontaktiert werden. Diese kennen die regionalen und lokalen Angebote sehr gut und können vermitteln. 
  • Zudem gibt es in Bezug auf den Ganztag auch viele Informations- und Vernetzungsangebote der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Sie betreibt in vielen Bundesländern das Portal „Serviceagentur Ganztag“ oder „Ganztägig lernen“. 
  • Konkrete Unterstützung in einer frühen klischeefreien Berufsorientierung bietet die Initiative Klischeefrei.